Paulinchen Brennt – Mache
Wütend. Wütender. Paulinchen Brennt. Eine der krawalligsten Bands Deutschlands meldet sich mit neuem Material zurück. Der Name entspannt dem im Flammen stehenden Mädchen aus dem Struwwelpeter, der Sound könnte kaum noisiger und chaotischer sein mit deutlichem Schwerpunkt auf Screamo, Mathcore und anderen überschäumenden Wutproben. „Mache“ zerlegtdie Gehörgänge in acht kurzen Kapiteln mit wachsender Begeisterung.
„Travis“ eröffnet in media res und macht relativ schnell deutlich, dass das numehr auf Leipzig, Nürnberg und Schweinfurt verteilte Trio rein gar nichts an kaputtem Wahnwitz eingebüßt hat. Es brennt von der ersten Sekunde an, während sich Daniel Schmitt auskotzt. Die Stimmbänder bluten fein, der instrumentale Unterbau simuliert manisches Brodeln und steuert auf eine nicht näher benannte katastrophale Eskalation mit Math-Untertönen zu, die eigentlich schon die ganze Zeit hindurch stattgefunden hat. Das merkt man allerdings erst danach, wenn „Norman“ zwar ebenfalls derb, dennoch hinsichtlich Riffing nahezu rockig rüberkommt. Freilich, diese Beobachtung ist im Verhältnis zu sehen, denn was für Paulinchen Brennt fast schon verträglich anmutet, ist immer noch durchgeknallt.
Ähnliches zeigt die restliche Platte. Die erste Video-Auskopplung „Midas“ hat fast so etwas wie einen konventionellen Hauptteil, während die verqueren Strophen rundherum an verschiedene experimentelle Mike Patton-Projekte erinnert, darunter die gemeinsame EP mit The Dillinger Escape Plan. „Pooter“, ein weiterer Vorbote, entlädt sich sparsam und konsequent, lanciert immer wieder präzise Attacken an, während rundherum proggig angehauchte Post-Hardcore-Ansätze auftauchen – sehr schräg, anti-melodisch und doch fast schon anschmiegsam. Die bekömmliche Düsternis von „Hauser“ macht ebenfalls Laune, reitet auf einem überdimensionalen Pulverfass und explodiert immer wieder gekonnt.
Gerade einmal 24 Minuten dauert dieser Husarenritt, doch ist das letztlich mehr als genug. „Mache“ schlaucht und lässt erschöpft zurück. Das nahezu konstante Operieren am Limit des Hörbaren und Ertragbaren geht an die Substanz, ist bei genauerer Betrachtung jedoch reich an spannenden Details und kleinen Überraschungen. Zwischen all den Eruptionen und Frontalattacken tummelt sich progressiv angehauchte Energie, von einer gewissen Düsternis getrieben, unbequem und herrlich ominös. Paulinchen Brennt reißen alles nieder und haben ihre helle Freude daran – eine aufregende, nicht immer einfache Platte, die immer wieder auf Neue fasziniert.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 10.11.2023
Erhältlich über: Krakenduft Records (Broken Silence)
Facebook: www.facebook.com/paulinchenbrennt
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