Torrential Rain – Digital Dreams
Wer glaubt, im weiten Metalcore-Feld sei längst alles gesagt, hat zuletzt nicht genau hingehört. Eine neue Generation zeigt aktuell auf, begleitet durch Nu- und Prog-Einflüsse. Letztere zählen zu den Spezialitäten von Torrential Rain. Das Quartett aus Nürnberg veröffentlichte in den letzten Jahren eine Fülle vollkommen verdient gefeierter Singles, ihr letztes Album hat jedoch bereits fünf Jahre auf dem Buckel. „Digital Dreams“ beendet die Wartezeit mit einer packenden Abhandlung über künstliche Intelligenz, aber auch über eigene Träume und Herausforderungen.
Dass man mit 08/15-Kost nichts am Hut hat, wird sehr schnell deutlich. Im ellenlange, komplexen „Meant To Be“ leben die Mittelfranken ihre volle kreative Freiheit aus, begleitet von wüsten Uptempo-Passagen, drückender Atmosphäre und überdimensionalen Hooks. Speziell die vertrackte wie hypnotisierende zweite Hälfte kann alles und zeigt alles – ein kleines musikalisches, sich wiederholt häutendes Fest. Das anschließende „Faults Are Thick Where Love Is Thin“ packt hingegen besonders eingängige Gesangsmelodien aus, die entsprechende Metalcore-Grenzen zu sprengen scheinen und mit oftmals schemenhafter Synthetik eine spannende Symbiose eingehen. Nervöse Energie und zuckrige Süße finden zusammen.
Überhaupt erweist sich diese Platte von vorne bis hinten als kreativer Siegeszug. „The Escapist“ besucht zwischendurch einen Rave, der Enter Shikari und Phoxjaw zitiert und sich doch keinesfalls von den Core-Leisten entfernt. Hingegen definiert sich „Eye To Eye“ über seinen sorgsam verwobenen Klangteppich, über ominöses Flüstern und brachiale Einschübe, die mit ihrer Heavyness durchaus die feinste Prise Nu-Synergien einbringen. „Second Chances“ brauchen Torrential Rain eigentlich nicht und toben sich mit diesem über weite Strecken klassischen Track so richtig aus. Manchmal darf es auch eher direkt sein.
Ein langes, aber zu keiner Zeit langweiliges Album später ist alles eitel. Tatsächlich bringt „Digital Dreams“ etwas frischen Wind in ein alles andere als auserzähltes Genre ein, lehnt sich gekonnt aus dem Fenster und findet doch immer wieder zurück zu packenen Hooks. Torrential Rain haben sich musikalisch hörbar weiterentwickelt, zeigen sich deutlich breiter aufgestellt und haben ihre helle Freude daran, die proggigen Metalcore-Möglichkeiten auszuloten. Ja, es mag bei manch einem Track zusätzliche Durchläufe brauchen, doch setzt sich jeder einzelne Song fest, ob man das will oder nicht. Torrential Rain kehren mit einem packenden, anspruchsvollen Grower-Album zurück, das sämtliche Hoffnungen und Erwartungen mehr als gekonnt bestätigt.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 17.11.2023
Erhältlich über: Eigenvertrieb
Website: www.torrentialrain.de
Facebook: www.facebook.com/TorrentialRainBand
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