Unprocessed – …And Everything In Between
Eine der interessantesten jungen Prog-Bands der letzten Jahre langt wieder beherzt zu. Unprocessed hatten immer schon ein Händchen für komplexe wie faszinierende Klänge, doch orientierten sie sich zuletzt mehr denn je in Richtung Pop. Eingängige Melodien, wütende Djent-Breitseiten und verspielter Anspruch, diese Zutaten zeichneten im vergangenen Jahr „Gold“ aus. Nun in Eigenregie unterwegs, verfolgt „…And Everything In Between“ diesen Ansatz noch intensiver und lässt zudem mehr Luft denn je für innere Spannungen.
Dass Pop keinesfalls synonym mit Stangenware zu sehen ist, zeigt bereits das eröffnende „Hell“. Alleine schon der derbe Basston und die tiefen Tunings des Intros verstören, danach finden komplexe Rhythmik sowie derbe Vocals zusammen. Über eine funkige Bridge bewegen sich Unprocessed zu einem hymnischen Refrain, der tatsächlich Eingängigkeit bemüht, ohne sich dabei auch nur ansatzweise aufzudrängen. Selbst das vergleichsweise direkte, harmoniebedürftige „Die On The Cross Of The Martyr“, das regelrecht zuckersüß loslegt, macht einen großen Bogen um abgeschmackte Sounds und findet selbst im radiofreundlichsten Moment immer noch Platz für vertrackte Verwirrspiele.
Ein Track wie „Abysm“ zeigt zugleich, wie weit das Quartett gekommen ist. Ja, die elektronisch befeuerten, semi-balladesken Passagen wandeln an der Grenze zur seichten Geduldsprobe, behalten sich dennoch eine spannende, leicht jazzige Eigentümlichkeit, die überaus schnell in latenten Wahnsinn umschlägt … und auch genau das tut. Ähnliches, wenngleich deutlich kompakter, bemüht „Thrash“, das zwischen großer Hymne und nahezu technoiden Djent-Rundumschlägen pendelt, während das folgende „Blackbone“ im exakt richtigen Moment sperrig und aufbrausend um die Ecke kommt, bevor ein feiner Hauch zuckriger Süße das Geschehen genau richtig auflockert.
Verwirrend bis durchgeknallt, so oder so ähnlich möchte man den neuesten Streich der Deutschen nach den ersten paar Durchläufen zusammenfassen. Unprocessed wandeln an der Grenze zur kompletten Übertreibung. Setzt man sich mit „…And Everything In Between“ jedoch genauer auseinander, werden die vielen feinen Details schnell offensichtlich. Eine gekonnte Gratwanderung, die Harmoniebedürfnis mit technischer Versiertheit und hohem Anspruch kombiniert, torpediert Erwartungen mit wachsender Begeisterung und folgt einer komplett eigenen Mission. Nicht immer gänzlich nachvollziehbar, doch stets packend und als Grower mit derben Basstönen einfach mächtig: Unprocessed bleiben Garanten für unterhaltsame Modern-Prog-Husarenritte.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 01.12.2023
Erhältlich über: Unprocessed (SPV)
Website: www.unprocessed.band
Facebook: www.facebook.com/Unprocessedofficial
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