A Burial At Sea – Close To Home
Selbst für Post-Rock-Verhältnisse klingen A Burial At Sea irgendwie … anders. Das nunmehr in Liverpool ansässige Duo aus Irland erweitert den Instrumentenpool um Blechbläser und bringt zudem Einflüsse von Math Rock und Jazz bis hin zu Shoegaze und Post Metal ein. Mit ihrem zweiten Album folgte nicht nur der Umzug, sondern auch der Wechsel zu Pelagic Records, wo das während einer überaus introspektiven Lockdown-Phase konzipierte „Close To Home“ unter anderem Melodien aus der Kindheit der Protagonisten und der Folklore in einen neuen Kontext setzt.
Einzelne Songs herauszugreifen, fällt durchaus schwer, weil erst die Gesamtheit dieses Album so großartig macht. Und doch gibt es Highlights, die sich besondere Aufmerksamkeit verdient haben, wie „masterfred“. Dieser uncharakteristisch ruhige Song mit intensivierten Shoegaze-Anteilen begräbt seine Instrumente eine Halbzeit lang unter massiven Halldecken, bevor die Gitarren einsetzen und gemeinsam mit den Blechbläsern wuchtige Druckwellen lostreten. Das abschließende „DALL“ packt die fieberhafte Idylle – ein gekonnt aufgelöster Widerspruch in sich – in die Mitte des Geschehens, während es rundherum wild, zügellos, geradezu euphorisch wird.
Für „Hy-Brasil“ bemühen A Burial At Sea den vielleicht größten Stilbruch. Ihren ersten großen Aufbau in Richtung Katharsis brechen sie ab und setzen stattdessen auf Math-Rock-Bounce mit sehnsüchtigen Bläsern. Irgendwann bläht sich der Track dennoch auf, wird immer lauter und entstellter, nimmt metallische Züge an. Das sollte nicht funktionieren, macht aber mindestens so viel Laune wie die initiale Schüchternheit von „páirc béal uisce“, das vergleichsweise typischen Post-Rock-Mustern folgt. Der große kathartische Höhepunkt mit dezenten Jazz-Vibes geht unter die Haut, während das folgende „tor head“ erst einmal roh und aufbrausend daherkommt, bevor sich das epische und doch ruppige Geschehen halbwegs sortiert.
Erwartungen und Konventionen bekommen bei A Burial At Sea keinerlei Raum zum Atmen. Stattdessen wogt diese wilde Platte in Vinyl-Ideallänge stetig hin und her, sucht nach neuen Formen des Ausdrucks und räumt tatsächlich mit jeder einzelnen Idee ab. „Close To Home“ ist anders im besten, angenehmsten Sinne, ein nervöses Wrack und zugleich eine Ode an die Schönheit des Moments, an das Vergangene und die Zukunft, an Nostalgie und die Heimat. Das irische Duo sucht einmal mehr nach neuen Formen des Ausdrucks, die zugleich ehrlich und natürlich wirken, die wunderschöne Geschichten erzählen und gerne beherzt zulangen – ein von vorne bis hinten grandioses zweites Album, das einem kompletten Genre frische Impulse verpassen könnte.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 23.02.2024
Erhältlich über: Pelagic Records (Cargo Records)
Website: www.aburialatseaband.com
Facebook: www.facebook.com/ABurialAtSeaUK
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