Borknagar – Fall
Die norwegischen Meister progressiver Extreme werden wieder vorstellig. Bei Borknagar dauert es gerne mal etwas länger, wobei die globalen Vorkommnisse der letzten Jahre ebenso ihre Spuren hinterließen. Nach einer eingeschobenen Tour und diversen Festival-Auftritten nahm das neue Werk seine Anfänge in diversen Home Studios, veränderte sich allerdings bei den gemeinsamen Aufnahmen und bemühte sich um neue Wege in vertrauten Gefilden. Entsprechend wirkt „Fall“ wie eine Platte, die sich im steten Fluss befindet und gerade deswegen so viel Spannung in sich birgt.
Gleich zu Beginn lauert der Gipfel, wenn Borknagar das achtminütige „Summits“ ins Visier nehmen. Hier geht es von Anfang an erstaunlich roh und ruppig zur Sache, brachial und ohne Rücksicht auf Verluste. Pagan- und Black-Klänge lassen erst spät den nötigen Freiraum für hymnischen Klargesang, zunächst mehr Facette als Stilmittel, bevor das Ding mittendrin kollabiert. Ob dieser Zusammenbruch so ausführlich und so reduziert hätte ausfallen müssen, sei dahingestellt, doch kann der Wurmfortsatz hinterher unterhalten. Dass es auch in aller Kürze geht, zeigt „Unraveling“ mit Neo-Prog-Ansätzen, geifernden Zwischenrufen und ganz viel Melodie.
„Northward“, ein anderer Gigant, bringt die gesamte Kraft und Energie dieser Platte auf den Punkt. In diesen zehn Minuten servieren Borknagar sämtliche Stärken, aber auch die eine oder andere Länge, was man von den Norwegern so nicht kennt. Das lange Verharren in anmutiger Starre lässt etwas Dynamik vermissen, das dramatische Finale schlägt dafür ein. Hingegen bemüht sich „True North“ um Viking Metal, um folkige Pagan-Energie und monumentale Wucht. Auch hier fehlt trotz guter Ansätze das gewisse Etwas, das beispielsweise im anschließenden „Afar“ durchkommt – eine rasende, wilde Tour de Force zwischen Bosheit und hymnische Synergie.
Erstmals seit Äonen schaffen es Borknagar tatsächlich nicht (ganz), an die Klasse der Vorgänger anzuknüpfen, wiewohl man sich auf hohem Niveau beschwert. „Fall“ ist immer noch ein richtiges gutes Album, das in den genialen Momenten unübertreffbar erscheint, geradezu von monumentaler Klasse, aber eben auch mit kleineren Durchhängern zu kämpfen hat. Die Viking- und Pagan-Anteile harmonieren nicht so recht mit noch klassischeren Prog-Rock-Momenten, zudem finden die unterschiedlichen Welten dieses Mal ab und an nur bedingt zusammen. Macht aber nichts, denn rundherum schneidern die Norweger nach wie vor absolute musikalische Ausnahmeklasse. Und doch: Es geht noch eine Spur besser, wenngleich Borknagar weiterhin verdammt gut unterwegs sind.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 23.02.2024
Erhältlich über: Century Media (Sony Music)
Website: borknagar.com
Facebook: www.facebook.com/borknagarofficial
Letzte Kommentare