Inter Arma – New Heaven
In den fünf Jahren seit ihrem letzten Studio-Album – klammert man die Cover-Platte aus – meinte es das Schicksal einmal mehr nicht gut mit Inter Arma. Sieht man von pandemischen Limits und abgesagten Tourneen ab, bleiben immer noch vier verschlissene Bassisten, bis man mit Joel Moore einen hochklassigen Neuzugang fand, den schweren Autounfall von T.J. Childers, der wenige Tage später eine Leiche aus den Trümmern eines von einem Tornado getroffen Venues barg, in dem er mit Revocation auftreten sollte, sowie ein komplett zugemüllter Proberaum, der in neunstündiger Knochenarbeit geräumt werden musste – ein paar ausgewählte Lowlights der letzten Jahre. Und doch zeigt „New Heaven“ eine Band, die höchste Höhen anstrebt.
Dabei könnte die Platte kaum roher und widerspenstiger beginnen. Der Titelsong beruht auf einem Riff, das so übertrieben dissonant wie möglich klingen sollte – als Witz gedacht, letztlich Dreh- und Angelpunkt eines Blackened-Death-Husarenritts, der tiefschwarze Synergien mit Sludge und Doom vermischt, während rundherum alles dem Zusammenbruch nahe scheint. Das nicht minder abgedrehte Gitarrensolo am Höhepunkt passt ins Bild. Im Vergleich dazu wirkt „Violet Seizures“ fast schon geordnet und geradlinig, wenngleich in geifernder Bosheit. Hohes Tempo, infernale Screams und unnachgiebiges Chaos haben tatsächlich etwas von einem Krampfanfall.
Es geht aber auch ganz anders, beispielsweise im ominösen „The Children That Bombs Overlooked“. Grabesstimme, donnernde Drums und ausladende Halleffekte stellen die Wut von Inter Arma in eine Art Echokammer und lassen Platz für Atmosphäre, die das folgende „Concrete Cliffs“ in proggige Extreme umdeutet – geradezu hymnisch, aber nie himmlisch. Auch in „Desolation’s Harp“ steckt ein Hauch Eingängigkeit, der sich auf Raten aus dem anfänglichen Wahnwitz löst und die nach wie vor bissige zweite Hälfte gekonnt untermalt. Mit „Forest Service Road Blues“ gibt es natürlich das obligatorische akustische Klagelied am Ende, folkig und überaus bewegend.
Inter Arma legen ihr bestens Album vor, und das hat gleich mehrere Gründe. Die deutlich knapper bemessene Spielzeit von 42 Minuten in Vinyl-Ideallänge bekommt ihnen erstaunlich gut und sorgt bei allen ausladenden Ideen für ein kompaktes, mitreißendes Werk, das dennoch kaum abwechslungsreicher ausfallen könnte. „New Heaven“ erweitert zugleich den eigenen Sound, was laut Band unter anderem der Musikalität Moores zu verdanken sei. Und dann ist da noch die offenkundige Lust auf die Musik nach der langen Pause von einer Band, die sich freispielen wollte und musste. Somit entsteht eine vielschichtige, kaputte und dennoch fast schon zugängliche Platte, die in ihrer rohen Emotionalität und Kreativität wahrlich von den Sitzen reißt. Inter Arma landen den lange angedeuteten Volltreffer auf ganzer Linie.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 26.04.2024
Erhältlich über: Relapse Records (Membran)
Facebook: www.facebook.com/INTERARMA
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