Mono – Oath
Das Spiel mit den musikalischen Gezeiten ist und bleibt die große Spezialität von Mono. Auch nach mittlerweile einem Vierteljahrhundert werden die Japaner*innen nicht müde, sich im meist rein instrumentalen Grenzland zwischen Rock, Metal und progressiver Post-Epik ausztoben. Dieses Mal widmet sich das Quartett grundlegenden existenziellen Fragen, ein letztes Mal unter der Ägide des kürzlich und viel zu früh verstorbenen Steve Albini aufgenommen. Leben, Tod und verrinnende Zeit entpuppen sich als Leitmotiv des hypnotisierenden „Oath“.
Zahlreiche ellenlange Stücke reizen die Grenzen der narrativen Machbarkeit mit wachsender Begeisterung aus. Das im Herzen des Albums platzierte „Hear The Wind Sing“ nimmt knapp neun Minuten in Anspruch und ist nicht einmal der längste Song. Anfangs ertönt tatsächlich nur das unwirkliche, zarte Flüstern des Windes, bevor erste Instrumente ein vorsichtiges Aufbranden bemühen. Sturmböen sucht man im Jahr 2024 bei Mono vergebens, erhält dafür Anmut und Intensität. Das Kultivieren des klassischen Post-Rock-Aufbaus kommt gut, zudem arbeiten sich mehr und mehr Streicher nach vorne – quasi der perfekte Vorgeschmack auf die anstehende Kammermusik-Tour.
Wucht und Härte bleiben die absolute Ausnahme, werden – wenn überhaupt – nur sehr pointiert eingesetzt. Am dramaturgischen Höhepunkt von „Moonlight Drawing“ darf es beispielsweise schon mal lauter und bestimmter werden, während sich das kratzige „Run On“ (ein Albini-Special) gerne in die eigenen emotionalen Untiefen hineinsteigert und absolute Katharsis bemüht, die bei aller Überlänge doch viel zu schnell abebbt. Und doch, selbst in schemenhafter Heavyness, bleibt die Schönheit des lebensbejahenden Aufbaus die große Mono-Kunst, wie im großen „We All Shine On“, dessen Schleifen doch funkeln, oder das kurze, explosive und zugleich intime „Oath“.
70 Minuten Schaulaufen – das klingt fast unfair, doch rufen Mono letztlich doch exakt all das ab, was sie in den letzten Jahren zu einer Art Post-Rock-Enigma reifen ließ, frei von Übertreibung und falscher Ironie. Die Japaner*innen besinnen sich auf ihre Klasse, vielleicht etwas ruhiger und symphonischer als zuletzt, doch tut gerade das so gut. „Oath“ geht keinesfalls auf Nummer Sicher, sondern bemüht anspruchsvolle Epik, die sich gar unvermittelt anschleicht und nicht mehr loslässt. Große Songs, feine Zwischentöne und instrumentale Kunst spinnen einen bekannten Faden weiter, gehen einen Schritt zurück, um gleich zwei nach vorne zu gelangen. Einmal mehr untermauern Mono ihren absoluten Ausnahmestatus, und zwar mit sympathischem Understatement.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 14.06.2024
Erhältlich über: Pelagic Records (Cargo Records)
Website: www.monoofjapan.com
Facebook: www.facebook.com/monoofjapan
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