Aeons – The Ghosts Of What We Knew
Die in der Irischen See zwischen England, Schottland, Wales, Nordirland und Irland gelegene Insel Isle Of Man ist am ehesten als Geburtstort der Gibb-Brüder (Bee Gees) sowie für ihr legendäres wie gefährliches Motorradrennen bekannt. Musikalisch mag der autonome britische Kronbesitz eher ein Schattendasein fristen, doch Aeons könnten das nun ändern. Das Quintett widmet sich modernen bis progressiven Tönen, die in klassischen Gefilden ebenso andocken wie im (Tech-)Death- und Core-Bereich. Bei Sliptrick landet ihr mittlerweile drittes Album „The Ghosts Of What We Knew“.
Natürlich hat die überdimensionale, geradezu aufgeblasene Tracklist abschreckendes Potenzial, wobei alleine „Ghosts“ bereits 19 Minuten in Anspruch nimmt. Dass Aeons dennoch die Spannung halten können, spricht ungemein für die Herren von der kleinen Insel. Hier ruft das Quintett sein ganzes Potenzial ab, findet Raum für intime und filigrane Momente, aber auch für lautes Aufstampfen und brutale Extreme, die Djent und Deathcore zusammenbringen. Wüste, technisch versierte Attacken Marke Born Of Osiris und Veil Of Maya treffen auf reduzierte, dennoch stets fokussierte Lust auf Schönklang und große Hymnen. Eine willkommene Gefährlichkeit lässt sich nicht gänzlich von der Hand weisen und macht das Geschehen sympathisch, speziell wenn etwas nach der Zehn-Minuten-Marke ein episches Gitarrensolo einsetzt.
Die ‚Kürze‘ – ein Begriff, der bei dieser Band mit Vorsichtig zu genießen ist – bekommt Aeons ebenso gut. „Home“ ist mit seinen fünfeinhalb Minuten kompakt und radiofreundlich, aber eigentlich auch nicht. Von der ersten Sekunde an wird es kaputt und dissonant, von frontalen wie pulverisierenden Drums und vertrackter Rhythmik angetrieben. Der nächste Absturz scheint nur den Wimpernschlag einer Libelle entfernt, bevor klarer Gesang sofort ins Ohr geht und mächtige Melodien loslässt – und gleich wieder zurück an den Anfang. Auch „Thanatos“ fasziniert sofort, lebt ebenso von einem ausladenden Solo mittendrin, gibt sich rundherum nervös und bockig, überrascht mit einer ordentlichen Portion Slipknot, hat aber auch ein Herz für Periphery und Konsorten.
Nach und nach gelingt es Aeons, ein eng gewobenes Netz aus Zitaten zu etwas Eigenem zu machen. Um direkt das Offensichtliche festzuhalten: 66 Minuten hätten es wirklich nicht sein müssen, das wirkt exzessiv und führt vor allem in der zweiten Hälfte zu manch einer Wiederholung, wenngleich in jedem einzelnen Track viel Gutes bis Exzellentes steckt. „The Ghosts Of What We Knew“ traumwandelt am Rande der Überforderung, tappt jedoch nie in die Falle der zähen Beliebigkeit. Ja, es braucht viel Geduld und Sitzfleisch, doch ist der Extreme-Ansatz der Herren von der Isle Of Man verdammt gut und spannend. Die Suche nach der eigenen musikalischen Identität kann schon mal kuriose Blüten treiben, so viel ist klar, aber die Gratwanderung gelingt letztlich immer. An Aeons darf und soll man sich gerne und mit wachsender Begeisterung herantasten.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 02.07.2024
Erhältlich über: Sliptrick Records
Website: aeons.online
Facebook: www.facebook.com/Aeons.IOM
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