Dead Pioneers – Dead Pioneers
Waren die nordamerikanischen Ureinwohner die ersten echten Punks? Gregg Deal, selbst Mitglied des Pyramid Lake Paiute Tribe, ist davon fest überzeugt. Seit Jahren setzt sich der Künstler und Aktivist kritisch mit Entkolonialisierung und Appropriation auseinander. Aus einem Performance-Kunstwerk entstanden schließlich Dead Pioneers, die sich diesen und ähnlichen Themen in einem Hardcore- und, eh klar, Punk-Umfeld widmen. Mit etwas Verzögerung erhält das ursprünglich in Eigenregie erschienene Debüt „Dead Pioneers“ hierzulande einen physischen Release.
Zwölf überwiegend kurze Songs und Spoken-Word-Performances in 22 Minuten nennen die Dinge beim Namen. In „We Were Punk First“ schwingt ein leichtes Augenzwinkern mit, das auf eine feiste Abrissbirne à la Black Flag trifft, schließlich mit kantiger Identitätspolitik kollidiert. Die Frage nach der eigenen Identität ist ein Thema von „Bad Indian“. Deal erzählt die Anekdote von einer Frau, die ganz enttäuscht war, dass er keinen „indianischen“ Namen. Oder vom weißen Mann, der ganz verwundert, wie toll Deal doch die englische Sprache beherrsche. Würde sich der Protagonist nun aufregen, sogar ausrasten? Dann wäre er ein „Bad Indian“.
Einzig „Political Song“ überspringt die Drei-Minuten-Marke deutlich und mutiert zum experimentellen Stream of Consciousness mit Post-Hardcore-Einschlag. Es soll kein politischer Song sein, heißt es immer wieder, man könne auch komplett falsch liegen. Es folgt ein Seitenhieb nach dem anderen hinsichtlich fehlender Rechte für Minderheiten mit dem Credo „no one’s illegal on stolen land“ – sechs pointierte Worte, die in ihrer Deutlichkeit den Geist dieses Albums zusammenfassen. Im Übrigen kann die Musik ebenso mithalten, siehe und höre Tracks wie „No One Owns Anything & Death Is Real“, das gängige Hardcore- und Punk-Konzepte in bester Fugazi-Manier ad absurdum führt, oder das kurze, knackige „Rage“, das dem Songtitel entspricht.
Jede Silbe findet ihr Ziel, begleitet von hypnotisierender wie zerstörerischer Musik: Dead Pioneers haben, im Gegensatz zu so vielen anderen, tatsächlich etwas zu sagen, und tun das auf überaus eindringliche Weise. Hier wird gekonnt auf bislang sträflich vernachlässigte Sichtweisen eingegangen, während rundherum Hardcore und Punk immer und immer wieder zwischen Husarenritten und Experimenten pendeln. Der Bogen spannt sich von den Dead Kennedys über Black Flag bis Fugazi und La Dispute – ein fantastisches erstes Album, das sich diesen großen Release und somit jede zusätzliche Aufmerksamkeit aber so was von verdient hat.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 09.08.2024
Erhältlich über: Hassle Records (Cargo Records)
Website: www.deadpioneers.band
Facebook: www.facebook.com/p/Dead-Pioneers-61555525537452
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