Leprous – Melodies Of Atonement

| 29. August 2024 | 0 Comments
Leprous

(c) Grzegorz Golebiowski

Im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte konnten sich Leprous zu echten Prog-Meistern mausern, die seit jeher mit wachsender Begeisterung auf der feinen Rasiermesserklinge zwischen Rock und Metal, Anspruch und Kitsch reiten. In jüngerer Vergangenheit neigten die Norweger zu komplexen und ausladenden, fast schon übertriebenen Platten, die den Brückenschlag zu den bombastischen Größen des Genres versuchten. Damit soll – zumindest vorerst – Schluss sein. Auf „Melodies Of Atonement“ besinnt sich das Quintett auf seine Wurzeln und setzt mehr denn je auf Reduktion, ohne jedoch die Songwriting-Klasse der letzten Alben einzubüßen.

Wabernde Elektronik eröffnet „Silently Walking Alone“ und sorgt erst einmal für etwas Verwirrung. Betont experimentelle und schroffe Strophen brechen mit den Erwartungen, bevor Einar Solberg mit ordentlich Power den Refrain einläutet. Drückende Gitarren, zermürbende Wucht und verspielte Heavyness setzen einen bewussten Gegenpol und vermischen sich gleich mit dem Rest. Der folgende Quasi-Titelsong „Atonement“ setzt dieses Rezept fort und bemüht modernen Prog zwischen Rock und Metal, der ein Herz für Synthetik besitzt. Das klingt kurz wie Trap-Djent, dann wieder wie feinsinniger Bombast, bevor die Neo-Prog-Schule auf Stimmakrobatik trifft und das Geschehen konstant hin und herwiegen lässt.

Stark ist auch „Faceless“, der erste von drei Sechsminütern, der anfangs eine Art Piano-Ballade inszeniert und dabei verspielt, nahezu jazzig wirkt. Wenig überraschend täuscht auch dieser Eindruck, denn je länger der Track dauert, desto härter und drückender fällt er aus. Geradezu fatalistische Breakdowns kollidieren mit wiederholten Zäsuren. Die Dramaturgie von „I Hear The Sirens“ erinnert im besten Sinne an frühe Muse, was Leprous sehr gut zu Gesicht steht. So viel Drama inmitten klarer, roher Töne gab es ewig nicht. Wie „Self-Satisfied Lullaby“ den elektronisch beeinflussten Weg der Experimentierfreude nahezu konstant geht und Gitarren erst spät hinzunimmt, macht ebenfalls Laune.

So heavy und gitarrenlastig waren Leprous seit „The Congregation“ nicht mehr, wenngleich sie den im besten Sinne übertriebenen Wahnsinn der folgenden Platten keinesfalls ignorieren. Das Ergebnis fällt – selbst für die Norweger – eigenwillig aus, wobei der angedeutete Minimalismus gut kommt. Klar, das muss man im Kontext zum bisherigen Schaffen des Quintetts sehen, doch gab es so klare Linien schon relativ lange nicht mehr zu sehen. Mehr Gitarren und Härte, mehr Elektronik und ganz viel Drama sagen dem poppigen Bombast den Kampf an und lassen quasi zwei Prog-Generationen zusammenkrachen. Das ist nicht immer einfach, aber stets verdammt unterhaltsam – ein neues Kunststück der Veteranen aus dem hohen Norden.

Wertung: 8/10

Erhältlich ab: 30.08.2024
Erhältlich über: Inside Out Music (Sony Music)

Website: leprous.net
Facebook: www.facebook.com/leprousband

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Category: Magazin, Reviews

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