Immortal Bird – Sin Querencia
Die sprichwörtlichen Mühlen mahlen bei Immortal Bird etwas langsamer, doch lohnt es sich immer, auf neue Lebenszeichen aus Chicago zu warten. Seit dem Release von „Thrive On Neglect“ schrumpfte man zum Trio, büßte aber rein gar nichts an Intensität und Gefährlichkeit ein. Der Mix ist immer noch wild – Black und Death Metal, Sludge, Crust und Noise zählen zu den zentralen Zutaten – und bewusst undurchsichtig gehalten, die Songs langen mit konzentrierter Vehemenz zu. Wenig überraschend schmerzt auch „Sin Querencia“ von der ersten Sekunde an.
Anfängliche ominöse Töne in „Bioluminescent Toxins“ wiegen in falscher Sicherheit, denn besagter Schmerz hat sich eigentlich schon längst breitgemacht. Selbst im gedrosselten Sludge-Noise-Mix fährt jeder Tonwechsel durch Mark und Bein, während sich Rae Amitay in gewohnt starker Form auskotzt. Das Ergebnis ist ein erstaunlich beiläufig anmutender Stomper mit kleineren Tempo-Verschärfungen und falscher Hoffnung am Ende. Im Vergleich dazu fällt „Plastered Sainthood“ roh und direkt aus, rührt sofort die Kessel und spielt mit atemlosen Tonartwechseln der betont permanenten Art – möglichst schrill und abgewrackt, aber eben auch unheimlich gut.
Je länger dieses Album dauert, desto schwieriger und spannender wird es. Das zeigt sich unter anderem anhand „Contrarian Companions“, eine atemlose Frontalattacke mit Hackbrett-Rhythmus, die einen Hauch von Thrash einbringt, ruppigen Blackened Death mit quengelnden Abfahrten kombiniert und dabei fies klingt. Hingegen kommt „Propagandized“ schön kompakt rübert, wagt den einen oder anderen Querverweis zu Fuck The Facts und explodiert von der ersten Sekunde an. Diese schrille Getriebenheit bekommt Immortal Bird gut, doch punktet der bewusst komplexe, avantgardistische angehauchte Ansatz des Titelsongs ebenso. Jedes einzelne Break brennt unter den Fingernägeln, sogar für ein Gitarrensolo bleibt Platz.
Alleine schon der Lärmpegel dieser knapp 36 Minuten gestaltet sich unfassbar. Mehr Wut, mehr Übertreibung, mehr Eskalation schien nach den bisherigen Platten kaum möglich, doch schaffen es Immortal Bird tatsächlich, davon noch etwas mehr zu bieten. „Sin Querencia“ häutet die eierlegende Wollmilchsau im Ritt und grinst sich dabei eins. Speziell der höhere Noise-Anteil bekommt dem Mix gut, die omnipräsente Unruhe gehört so und so irgendwie dazu. Irgendwie erklimmen die Chicagoer ein neues Level der vogelwilden Übertreibung und zelebrieren das mit größter Begeisterung – ein im angenehmsten Sinne kauziges Machwerk mit wohliger Schmerzensgarantie.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 18.10.2024
Erhältlich über: 20 Buck Spin (Soulfood Music)
Facebook: www.facebook.com/immortalbirdband
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