Kerretta – Angelm
Bloß nichts überstürzen, so oder so ähnlich könnte das Motto von Kerretta lauten. Das letzte reguläre Album der Neuseeländer hat mittlerweile tatsächlich eine Dekade auf dem Buckel, echte Lebenszeichen waren seither eher Mangelware. Nun hat man sich doch wieder zusammengerauft und bemüht geologische Grandezza. „Angelm“ ist für das Trio eine Art Proto-Kollision zwischen Pangea und tektonischen Platten und zeichnet die Entstehung der Kontinente in acht Kapiteln nach.
„Until The Atlas“ sammelt die geballte Klasse der Neuseeländer in sieben mächtigen Minuten und bringt den episch veranlagten Wahnwitz auf den Punkt. Wiederholt schwillt das Arrangement an, der Himmel darf sich zwischenzeitlich verfinstern und kollidiert doch laufend mit braven, süßlichen Melodien. Wiederholtes Aufbranden und Abflachen hilft der Dynamik. Deutlich schräger und ungewöhnlicher gestaltet sich hingegen „Eyes In The Bull Temple“. Kerretta arbeiten mit einer Art Vocal-Sample – ein entfremdeter Schrei – und torpedieren die gespannte Atmosphäre mit bewusster Dissonanz. Das Ergebnis fällt unorthodox, beißend und lautmalerisch aus, passt gewissermaßen zum tektonischen Irrsinn.
Und dieser treibt manch eine hochinteressante Blüte, beispielsweise das drückende, stellenweise nahezu tanzbare „Opal Victor“. Drone-Gitarren auf der einen, funkiger Basslauf auf der anderen Seite – Kerretta verharren ewig im Widerspruch, klingen maschinell bis technoid und experimentieren erfolgreich mit Industrial-Einschlag. Auch das finale „Oceania“ braucht eine ganze Weile, wirkt betont roh, geht erfolgreich an die Substanz und lässt sich von schier unendlichen Schleifen in neue, ungeahnte Welten entführen. Das große Crescendo fährt erfolgreich durch Mark und Bein, bevor alles kollabiert.
Nach dieser langen Studiopause wäre es freilich ein Leichtes gewesen, auf Post-Rock-Nummer Sicher zu gehen, doch davon hielten Kerretta immer schon herzlich wenig. Stattdessen brechen sie den vertrauten bis erwartbaren Wulst mit ausgesuchter Präzision auf und langen beherzt, dreckig zu. Das tektonische Leitmotiv bekommt „Angelm“ richtig gut und lädt zum Experiment ein. Drone, Industrial, sogar ein wenig Pop-Appeal mischen sich unter gängige Klangmuster und langen mit Vehemenz zu. Zwar dauert es länger, bis man den Zugang zu diesem Kunstwerk findet, doch kommt man im Anschluss nicht so schnell davon los – eine packende Leistung und ein mehr als willkommenes Lebenszeichen zugleich.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 18.10.2024
Erhältlich über: dunk!records / A Thousand Arms
Facebook: www.facebook.com/kerretta
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