Sólstafir – Hin helga kvöl

| 4. November 2024 | 0 Comments
Sólstafir

(c) Katie Metcalfe

Sie gehen einen Schritt zurück, um sich möglichst gleich zwei bis drei Schritte nach vorne zu katapultieren: Nachdem Sólstafir zuletzt ihre Black-Metal-Wurzeln weitestgehend hinter sich gelassen hatten, dürfen diese nun eine Art Comeback feiern … und auch nicht. Auf dem nunmehr achten Album des isländischen Quartetts fällt die Düsternis betont vielschichtig aus. „Hin helga kvöl“ (dt. „Das heilige Leiden“) will rohe Emotionen und schlichte Schönheit unter einen Hut bringen, geht den rockigen bis progressiv-epischen Weg des Vorgängers weiter und greift zugleich auf die brachiale Härte der Anfangszeit zurück.

Zwei Tracks in direkter Abfolge unterstreichen die alles andere als widersprüchliche Vielfalt des neuen, alten Sólstafir-Sounds. Da wäre zum einen „Blakkrakki“, ein abgedrehter Rock’n’Roller mit Blackened-Schlagseite, der Underground-Klänge mit Post-Punk-Stilistik vereint, mit seinem unaufhaltbaren Motor konzentriert nach vorne geht und doch Platz für frostige Einschübe findet. Ganz anders geht es „Sálumessa“ an, ein siebenminütiges Klagelied, das nahezu durchgehend in klassischer Post-Rock-Stilistik verharrt und den konstanten Aufbau zu einem ausbleibenden Höhepunkt verklärt. Hier mutiert der Weg tatsächlich zum Ziel, voller Anmut, grazil und doch von tiefster Trauer durchzogen.

Wer sich die frühen Sólstafir zurückwünscht, kriegt „Nú mun ljósið deyja“ vor den Latz geknallt – eine schwarzmetallische Blendgranate, die gefühlt durchgehend am Anschlag operiert, laufend durch die Decke geht und dabei keine Gefangenen nimmt. Auch der Titelsong „Hin helga kvöl“ hat davon einiges in petto, bloß mit Zäsuren, post-metallischen Einschüben und einer gesunden Portion Epik versehen. Die hat „Vor ás“ ebenso gepachtet, kippt letztlich konsequent in stilisierten Düster-Rock, der mit Glam und Punk flirtet – ein bizarres und doch so eingängiges Bündel Nerven. Der ominöse, rein instrumentale Abgang „Kuml (forspil, sálmur, kveðja)“ rundet eine bewusst widersprüchliche Erfahrung gebührend ab.

Ist das noch ein Übergangsalbum oder bereits eine leicht rückwärtsgewandte Zukunftsvision? Einmal mehr bleiben Sólstafir konkrete Antworten schuldig und räumen mit diesem bewusst eigentümlichen Ansatz ab. Ja, „Hin helga kvöl“ hätte sich bestimmt eine deutlich bessere Produktion verdient, die die Vielschichtigkeit dieser neuen Platte unterstreicht, doch bleibt das letztlich der einzige wirkliche Makel. Die Isländer machen es sich und anderen weiterhin nicht leicht und verpassen ihrem Sound mit diesem Black-Metal-Flashback noch mehr Identität. Sólstafir geben einen feuchten Kehricht auf Kompromisse und legen eine weitere aufregende, andersartige und letztlich doch so konsequente, schwierige Platte vor.

Wertung: 8/10

Erhältlich ab: 08.11.2024
Erhältlich über: Century Media (Sony Music)

Website: www.solstafir.is
Facebook: www.facebook.com/solstafirice

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Category: Magazin, Reviews

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