Still – A Theft
Wenige Begriffe umschreiben den Sound von Still so gut wie ‚Katharsis‘, und das gilt aktuell mehr denn je. Bereits auf seinem Einstand „{ }“ fand die Band aus dem britischen Hull zu einem emotional aufwühlenden Sound rund um Post Black Metal, so intensiv, brutal und doch voller Atmosphäre. Aktuell sind sie nur noch zu dritt unterwegs – Gitarrist Fraser Briggs und Drummer Jack Green teilen sich die Vocals, Adam Williams bedient den Bass – und wurden mitten unter den Arbeiten an ihrem Zweitling vom plötzlichen Tod von Briggs‘ Vater überrascht. Dieses unerwartete Trauma wirkte sich auch auf „A Theft“ aus, das insgesamt deutlich direkter und frontaler rüberkommt.
Ein Track wie „Only Time Will Tell“ reißt 200 Sekunden lang alles nieder und spielt sich den gesamten Schmerz von der Seele. Still fallen mit der Tür ins Haus, heben von Beginn an ab und legen nach, immer und immer wieder. Die wütende, schroffe Präsentation, gepaart mit dröhnenden instrumentalen Einschüben, lässt keinen Platz für Verschaufpausen. Wenn schließlich die finale Minute langsam abrüstet, ist alles eitel. „Small Mercies Of Falling Apart“ trägt den kompromisslosen Wahnsinn bereits im Songtitel, macht die herzige Mördergrube zu Kleinholz und drischt wild um sich. Tiefschwarze, semi-melodische Einschübe und zähe, zermürbende Sludge-Ausritte verleihen dem Song die nötige Würze.
Hingegen zäumt „Yearn“ das Pferd von hinten auf, lässt sich viel Zeit und findet betont gemächlich in den Track. Es passiert erst einmal herzlich wenig, während Doom-Drone-Wände aufgezogen werden. Von Schmerz und Wut erfüllte Schreie tauchen aus den Untiefen des Arrangements auf. Urplötzlich legt sich ein Schalter um, die Fäuste schwingen – und alles sackt in sich zusammen. Auch „Life Eclipses Living“ setzt bevorzugt auf zähe, post-metallische Töne, auf rohe Sludge-Urgewalt und manische, erdrückende Schleifen. Langsam, aber sicher schwinden die Energiereserven, während Still im ellenlangen, verwaschenen Abgang immer unsichtbarer werden.
Letzte irdische Fesseln lösen sich wie von selbst, während Still immer wieder und wieder auf die eigene wunde Seele eindreschen. Schmerz, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit – all das und noch viel mehr ist „A Theft“ anzuhören. Der Raub eines geliebten, prägenden Menschen hallt noch nach, geht musikalisch mehr denn je über (Post-)Black-Metal-Grenzen hinaus und findet frische Ansätze für unnachgiebige Unerträglichkeit. Still liefern auf ganzer Linie ab – eines der kaputtesten, desolatesten und zugleich, nun ja, kathartischsten Alben des Jahres.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 15.11.2024
Erhältlich über: Floodlit Recordings
Facebook: www.facebook.com/wearestillaband
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