Dragunov – Vepr
Zwei Franzosen, die auf der Bühne Maske tragen – man muss kein House-Fan sein, um das gut zu finden. Dragunov, das Duo Sébastien Pineau (Gitarre) und Tristan Monein (Drums) aus Nantes, verhüllt seine Identität bei Performances, um den Fokus auf die Musik zu legen. Und die kann sich absolut hören lassen – rein instrumental, konzeptuell angehaucht, düster und intensiv. Auch auf ihrem nunmehr dritten Album widmen sich die Franzosen der Konzeptkunst. Drehten sich die beiden bisherigen Werke noch um die sowjetische Vergangenheit, so solidarisieren sie sich auf „Vepr“ mit den Ukrainern und handeln die Geschichte des Landes ab.
Es beginnt in den 1920ern mit dem Kampf für ukrainische Autonomie: „Makhno“, dem Militärführer und Revolutionär Nestor Machno gewidmet, spielt gekonnt mit Post-Metal-Erwartungen, brandet immer wieder auf. Ein Hauch von Pathos in den gesampelten Chören kollidiert mit ruppiger, brachialer Härte, die geradezu aus den Startblöcken explodiert. Diese wiederholten kleinen Eruptionen geben sich betont roh und ungeschliffen, aber auch episch. Hingegen ist der Rausschmeißer „Alligator“ im Hier und Jetzt, im aktuellen Kriegsgeschehen verhaftet. Wiederholt aufbrandende Wut, drückende Energieleistungen, aber auch maschinelle Industrial-Einschübe finden gekonnt zusammen. Wechselhafte Klanglandschaften symbolisieren ein stetes Auf und Ab.
In „The Great Hour“ brechen Dragunov dann doch mit ihrer instrumentalen Auslegung und holen sich Stefan De Graef (Psychonaut, Hippotraktor) dazu, dessen heisere Screams tatsächlich eine neue musikalische Dimension ausleuchten, groß und eindrucksvoll klingen. Gift, Galle und pure Intensität setzen sich mit dem Widerstand im Zweiten Weltkrieg auseinander – der ruppigste, härteste Track dieser Platte. Als zweiter Gast konnte Vincent Barbaud gewonnen werden, der mit Pineau bei den exzellenten Abysse spielt. Der im Jahr 2004 verankerte Song sucht den Kampf, gibt sich drückend und hat doch mit Widrigkeiten zu kämpfen, hier vor allem durch die abgedrehte Sologitarre symbolisiert – atemlos, gigantisch und unfassbar lebendig.
„Vepr“ ist eine jene Platten, die man erst kommen lassen muss, die viel Zeit und Geduld verlangt. Im konstanten musikalischen Wachstum entwickelt sich nach und nach ein kleines Epos von gigantischer Strahlkraft, das selbst im weiten Post-Metal-Feld weit vorne mitspielt. Der kleine Ausreißer mit Vocals überrascht im besten Sinne und brennt sich direkt ein, doch sind es die sorgsam und clever gestrickten Arrangements, die konstant wechselnden Emotionen und gewaltigen Eruptionen, die dieses dritte Album in höchste Höhen hieven. Dragunov sind endgültig und verdient ganz oben angekommen – mit einer wichtigen, intelligenten und hochgradig faszinierenden Platte, die weit mehr als nur ein Geheimtipp sein sollte.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 06.12.2024
Erhältlich über: Eigenvertrieb
Facebook: www.facebook.com/dragunovduo
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