Harakiri For The Sky – Scorched Earth
Harakiri For The Sky treten in große Fußstapfen: ihre eigenen. Vor knapp vier Jahren gelang mit „Mære“ der bislang größte Charterfolg, bei den deutschen Nachbarn ging es sogar bis auf Platz 4 der Album-Verkaufsliste. Seither erschienen Neuaufnahmen der ersten beiden Platten, neues Material durfte in Ruhe wachsen und gedeihen. Bis jetzt: J.J. und M.S. erweitern ihren Horizont auf „Scorched Earth“ ein weiteres Mal, sprengen Post- und Extreme-Grenzen, und bringen zudem eine starke, überaus illustre Gästeliste sowie die eine oder andere selbst für Harakiri For The Sky kräftige Überraschung mit.
Fragile Töne eröffnen das Album, „Heal Me“ tastet sich vorsichtig voran. Der mit siebeneinhalb Minuten kürzeste (!) Track der regulären Auflage macht zugleich mehr als deutlich, wohin die Reise geht. Monumentale Wucht, emotional aufgeladener Feinsinn und furiose, aufwühlende Vocals finden schnell zusammen. Verzweiflung, Verlust, Liebe und Existenzängste bleiben zentrale Themen, die J.J. mit seinen wüsten Screams seziert. Tim Yatras von Austere unterstreicht den hymnischen Wahnsinn. Am anderen Ende des Albums mischt die grandiose Serena Cherry von Svalbard mit und heizt „Too Late For Goodbyes“ so richtig ein. Der atemlose Ritt auf der Rasiermesserklinge wird zur Gratwanderung, zerlegt Sensibilitäten und lässt doch stets bittere Süße an die Oberfläche schwimmen.
Davon hat auch „No Graves But The Sea“ mehr als genug, wobei sich Harakiri For The Sky erst einmal bitten lassen. Am vermeintlichen introvertierten Höhepunkt explodiert das Duo aus den Boxen, lässt beißende Härte mit epischen Zäsuren kollidieren. Das stete Wechselspiel, von nervöser Energie und konstantem Brodeln getragen, geht mindestens so sehr an die Substanz wie das getragene „With Autumn I’ll Surrender“, tatsächlich etwas herbstlicher angelegt und durch pure Anmut überraschend. Hier unterstreicht das Duo seine erweiterten Songwriting-Stärken und zieht in einen Malstrom widersprüchlicher Gefühle hinab, die durch Mark und Bein fahren.
Wer diese experimentellen, Grenzen überschreitenden Harakiri For The Sky schätzt, sollte sich die limitierte Auflage mit zwei Bonus-Tracks holen. Ein überraschendes Radiohead-Cover, „Street Spirit (Fade Out)“ mit P.G. von Groza, spielt mit Post-Rock-Anmut und Gothic-Zwischentönen, während Daniel Lang von Backwards Charm der grungigen Quasi-Ballade „Elysian Fields“ unfassbar viel Herz verleiht. Alles zusammen unterstreicht die Ausnahmeklasse dieser Band, die sich zu keiner Zeit von ihren schwarzmetallischen Wurzeln lossagen will, und diesen doch mit wachsender Begeisterung gar natürlich entwachsen ist. „Scorched Earth“ ist sein ganz eigenes Ding, ein eigenes Genre, eine eigene Musikwelt und zugleich eine Machtdemonstration. Nur wenige Bands können mit Harakiri For The Sky mithalten, das unterstreicht ihr bis dato vielleicht bestes Album eindrucksvoll.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 24.01.2025
Erhältlich über: AOP Records (Edel)
Facebook: www.facebook.com/HarakiriForTheSky
Slider-Pic (c) Anne Catherine Swallow
Category: Local Bands, Magazin, Reviews
Letzte Kommentare