Pinhead – Egomessiah
Neben den exzellenten The Hirsch Effekt verschafft sich Ilja John Lappin aktuell ein mehr als spannendes zweites Standbein. Seit Jahren hat es ihm eine Filmfigur aus ‚Hellraiser‘ angetan, die er als Identifikationsfigur für die Umsetzung musikalischer Ideen heranzieht, aber auch für die Auseinandersetzung mit den schönen und schrecklichen Seiten des Menschseins und -werdens. Pinhead ist zugleich der Name seiner Band, mit (Live-)Musikern von Deine Cousine, Oomph! und Cypecore versehen. Auf „Egomessiah“ tobt sich das Quartett mit wachsender Begeisterung aus, deckt ein breites progressiv-extremes Spektrum ab, das ebenso wenig vor Elektronik und melancholischer Finsternis zurückschreckt.
Der druckvolle Start durch „Lapse“ gelingt sogleich. Mit wütenden Eruptionen, Core-Untertönen und hibbeligen Prog-Nackenschlägen gehen Pinhead direkt in die Vollen, nur um aus dem Nichts die Vorzeichen zu ändern und butterweichen Gesang sowie ruhige, nachdenkliche Klänge einzusetzen. In weiterer Folge finden beide Welten sukzessive zusammen, entsteht ein Wechselbad der Gefühle, voller dramaturgischer Unvorhersehbarkeit. „I I I“ erwischt ebenso wiederholt auf dem falschen Fuß, fährt durch Mark und Bein und geht doch direkt ins Ohr. Die angestochene Wildsau kollidiert mit elektronisch angehauchten Zäsuren, bevor atmosphärischer Alternative Rock durchbricht.
Ein konstantes Wechselbad der Gefühle zeichnet dieses Album aus, das viel versucht und dabei wiederholt abräumt. Das gilt beispielsweise für „Lonefall“, das sich über weite Strecken voll und ganz beatesker, bedrückender Elektronik widmet. Unheilvolles Brodeln und feinsinnige Melodien passen prima zusammen. Hingegen zeichnet sich „Absurdist“ durch pure Wucht aus, erinnert gerne mal an Lappins Hauptband, nur um in den melodischen Momenten selbst der Neo-Prog-Schule ein Schnippchen zu schlagen. Und dann ist da noch „Lesser Lights“, der zehnminütige Abschluss, der durchaus mit semi-balladesken Motiven spielt, zur Townsend’schen Hymne reift und zugleich von steter, angenehm verstörender Unruhe geprägt ist.
Eben jene Vielschichtigkeit zwingt beinahe in die Knie und fasziniert letztlich auf ganzer Linie. Die damit verbundenen Herausforderungen sind groß, nicht zuletzt ob der opulenten Spielzeit von deutlich über einer Stunde, werden jedoch locker gemeistert. „Egomessiah“ überfordert immer wieder und verlangt volle Konzentration, umfassende Aufmerksamkeit und betonten Mut zum Wahnsinn. Vergleiche mit The Hirsch Effekt lassen sich kaum vermeiden, gewisse Parallelen verwundern kaum. Bei aller Wucht, Intensität und eierlegender Wollmilchsau bleiben Pinhead dennoch fast schon eingängig wie auch hymnisch, spielen geschickt mit klassischem Prog und schlagen wiederholt die Brücke zwischen verschiedenen Schulen. Wenig überraschend gelingt dieser ambitionierte Einstand mit imposantem Nachdruck.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 31.01.2025
Erhältlich über: NoCut Entertainment (SPV)
Facebook: www.facebook.com/Pxnhead
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