Toundra – Vortex
Eine der besten Post-Rock-Bands Europas, vielleicht sogar der Welt, kommt aus dem sonnigen Spanien. Toundra brauchen keine Vocals, um ihre narrative Detailarbeit voranzutreiben. Und wenn doch, dann nennen sie ihren Nebenschauplatz Exquirla und wagen ein wahrhaft spektakuläres Flamenco-Crossover. Ob es hiervon eine Fortsetzung geben wird, ist noch nicht bekannt. In der Zwischenzeit erscheint auf jeden Fall ein neues Band-Album. „Vortex“ trägt ausnahmsweise keine Numerale im Namen, verspricht ansonst aber gewohnte Kost.
Zwei Monstrositäten bestimmen das Geschehen dieses Albums. „Mojave“, mit über elf Minuten Spielzeit deutich längster Track dieser Platte, zeigt Toundra von ihrer Schokoladenseite. Nach dem etwas gemächlichen Auftakt schleichen sich mitreißende Elemente ein, die durchaus etwas von Exquirla haben, zugleich jedoch von wuchtigen, teils durchaus metallischen Salven zersetzt werden. Eine singende Gitarre führt durch den Song, glänzt selbst in den etwas ruhigeren Abschnitten und führt schließlich von Groove-Part zu Riff-Wahnsinn – ein Track zum Niederknien.
„Tuareg“ erweist sich als zweites Powerhouse – etwas kürzer und doch so eindrucksvoll präsentiert. Von Beginn an schrauben die Spanier den Härtegrad in die Höhe, ohne jedoch aus ihrer cineastischen Komfortzone auszubrechen. Etwas ruhigere, nachdenkliche Übergänge bekommen den scharfkantigen Attacken gut. Rund um diese beiden Giganten packen Toundra ein paar kürzere Ideen aus – durch die Bank kurzweilig (siehe und höre „Kingston Falls“ und „Cobra“) und aufwühlend. Einzig der Rausschmeißer „Cruce Oeste“ braucht zu lange, um sich zu entscheiden. Die Mini-Explosion kommt spät und gewaltig, mutet jedoch ungewohnt beiläufig an – da ginge auf narrativer Ebene noch ein klein wenig mehr.
Zuletzt hatten die Spanier auf „IV“, das in ihrer Heimat tatsächlich bis auf Platz 2 der Album-Charts kletterte, ein Luxusproblem: Ihre Songs waren nach wie vor unwahrscheinlich stark, bloß fehlte der kleine Aha-Effekt. Auf „Vortex“ mag dieser zwar stellenweise zurückgekehrt sein, doch an die schiere Wucht und Spielfreude ihrer ersten Alben kann das Quartett dennoch nicht so ganz anknüpfen. Natürlich darf das, man hat diese Phrase schon so oft gehört, als Meckern auf hohem Niveau durchgehen, und doch ginge noch ein Hauch mehr. Wer rein instrumentalen Post Rock mit Genrebending-Untertönen und genialer Erzählstruktur schätzt, macht hier aber sicher nichts falsch.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 27.04.2018
Erhältlich über: Inside Out Music (Sony Music)
Website: www.toundra.es
Facebook: www.facebook.com/toundra
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