Flares – Spectra
Die beste Möglichkeit, der sich stetig verändernden, negativen Entwicklung der Gegenwart Rechnung zu tragen, ist für Flares das Aufgreifen des Vergangenen. So krallt sich das deutsche Quartett verschiedene Riffs und Songskizzen, die noch vor der im Jahr 2008 erschienenen Debüt-EP entstanden, bereitet diese neu auf, und tankt sich durch stetes digitales Rauschen, durch zunehmende Naturkatastrophen und gedeihende Vereinsamung. „Spectra“ beleuchtet den proggigen Post-Rock-Sound der Nachbarn auf vertraute Weise und geht durch das Aufgreifen der sieben Klassen zur virtuellen Unterteilung von Sternen gleichermaßen klassische wie frische Wege.
Nur weil Flares mehr als zwölf Jahre alte Ideen aufgreifen, ist ihr Sound noch lange nicht stehengeblieben. Im Gegenteil, die sieben Exkurse greifen verschiedenste Elemente aus der spannenden Karriere des Quintetts auf, erfrischend zusammengesetzt. „40.000“ bündelt diesen energischen Ansatz auf faszinierende wie mitreißende Weise. Warme Gitarren, ein dezentes Blubbern und stete Aufbruchsstimmung steuern auf den ersten kathartischen Moment dieser Platte nach zwei Minuten zu. Der Gesang ist butterweich, einnehmend und alles umwarmend. Ein Hauch von Oceansize liegt in der Luft, klassische Prog-Gitarren sägen gelegentlich mit.
Schnell zeigt sich die ehrliche, unverfälschte Schönheit dieser Platte, sich in mehreren wuchtigen und zugleich verträumten Episoden entladend. „4.500“ wird von krachenden, voluminösen Drumsalven aus der Beinahe-Stasis gelockt und in herrlich verzerrte, beinahe metallische Welten entführt. Gerade die zweite Hälfte mit ihren Vocal-Samples und der fordernden, zugleich sanften Elektronik kommt gut. Vergleichsweise kurz und effektiv bemüht sich „6.500“ um ein kompaktes Abbild des Flare’schen Sounds. Gaze und Prog bäumen sich zu einer vergleichsweise übersichtlichen Mini-Explosion auf, dafür durchleben die finalen 30 Sekunden eine ungeahnte, gigantische Steigerung.
Einziger echter Kritikpunkt ist die Kürze dieser Platte, die selbst mit zwei Zwischenspielen unter einer halben Stunde bleibt. Man wünscht sich einfach mehr, viel mehr, von dieser Schönheit, die zwar als Endlosschleife auf der Repeat-Taste prima funktioniert, dennoch Fragen offenlässt. Was sich allerdings auf „Spectra“ abspielt, ist gigantisch. Der magische, verträumte und zugleich betont intime Post-Rock-Ansatz der fünf Herren bewegt auf schwer greifbare Weise, mit proggigen Elementen, kurzen Shoegaze-Ausflügen und pointierter Elektronik herrlich ausgebaut. Ein weiteres Mal liefern Flares so richtig ab – als ob das was Neues wäre.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 21.08.2020
Erhältlich über: Barhill Records (Cargo Records)
Website: flares-music.com
Facebook: www.facebook.com/flaresmusic
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