Fractal Universe – The Impassable Horizon
Brachial-durchdachte Musik für Philosophen, so oder so ähnlich lässt sich das neue Album von Fractal Universe beschreiben. Das französische Quartett steht für hohen Anspruch und ungewöhnliche Ideen, selbst im ohnehin sehr weitgesteckten Prog-Feld. Die ersten Ideen ihres neuen Werks geisterten bereits im November 2018, Monate vor der Veröffentlichung von „Rhizomes Of Insanity“, umher. Angelehnt an Martin Heideggers Abhandlungen des Verhältnisses des Seins zum Tode und zur eigenen Endlichkeit, rattert „The Impassable Horizon“ durch Leben und Ableben in wahnwitzigen Kapiteln.
Dieses Mal verzichtete die Band – mit Ausnahme von etwas Kehlkopfgesang – auf Hilfe von außen. Selbst das Saxophon wurde dieses Mal selbst eingespielt, und es ist ein wichtiger Eckpfeiler der Platte. „A Cosmological Arch“ bemüht sich beispielsweise über weite Strecken um technisch anspruchsvollen, in den richtigen Momenten eingängigen Progressive Death Metal. Kurz nach der Hälfte folgt eine überraschende Zäsur mit groovendem Bass und Jazz-Vibes, bevor das Finale abermals wütende Fahrt aufnimmt. Das muss man erst einmal sacken lassen, wie auch den wuchtigen Opener „Autopoiesis“. Multiple Eruptionen, hohe Geschwindigkeit und die Kollosion von Saitenhexerei sowie Saxophon verzaubert und verwirrt.
Allerdings gehört das mehr oder minder freiwillige Verwirrspiel zum Sound der Franzosen, die einen feuchten Kehricht auf Vorhersehbarkeit geben und durch ihr Überraschungsmomentum gar erstaunliche Wendungen vollbringen. Wie „Withering Snowdrops“ in verhältnismäßiger Kürze zwischen Jazz-Club, Borknagar und mit Core-Intensität flirtender Explosivität pendelt, fasziniert. Wie das ellenlange „Godless Machinists“ immer noch eine kleine Schleife hinzupackt, semi-balladeske Rush-Momente mit geifernden Prog-Death-Sprints kreuzt, raubt sämtliche Sinne. Wie „A Clockwork Expectation“ unzählige Breaks und Stimmungswechsel aus dem Ärmel zaubert und sogar kurz etwas Djent aufbietet, brennt sich sofort ein.
Natürlich überfordert „The Impassable Horizon“, und zwar nicht zu knapp. Das gehört allerdings irgendwie zum Auftreten von Fractal Universe, deren kreuz und quer liegenden Gehirnwindungen stets neue akrobatische Akte vollführen. Wohin die Reise geht? Das weiß man vorher nie, selbst wenn die Platte bereits x-mal durchgehört wurde. Mit ihrem proggigen Death Metal liefern die Franzosen bereits gewaltig ab, der störrische Jazz als Kirsche auf dem Sahnehäubchen macht aus einem cleveren Album ein aufregendes Werk. Ja, „The Impassable Horizon“ ist zu lang und zu sprunghaft, doch lohnt sich die genauere Auseinandersetzung mit dem kuriosen Wunderding, dessen Ideenreichtum zumindest Respekt abringt. Zwar bleibt für Fractal Universe weiterhin etwas Luft nach oben, dennoch bleibt ihre Musik ein Happening, von dem man sich nicht so leicht lösen kann, geschweige denn will.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 25.06.2021
Erhältlich über: Metal Blade (Sony Music)
Facebook: www.facebook.com/fractaluniverseband
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