Hippotraktor – Meridian
Ja, der Bandname klingt zumindest etwas schräg. So viel Zeit muss sein. Daran soll es bei Hippotraktor aber nicht scheitern, denn das Quintett aus Mechelen zählt zu den aufregendsten neuen Post-Metal-Acts. Seit der ersten EP „P’eau“ aus dem Jahr 2018 wuchs das Trio zum Quintett an, nun mit den beiden fantastischen Stimmen von Stefan De Graef (Psychonaut) und Sander Rom (L’Itch) an Bord. Neben Vergleichen mit De Graefs Hauptband werden unter anderem Gojira und Meshuggah als potenzielle Referenzen genannt. Das Debütalbum „Meridian“ vermag derlei Vorschusslorbeeren tatsächlich zu erfüllen.
Bereits der Auftakt gestaltet sich viel versprechend. Die Gitarren riechen ein wenig nach Extreme-Prog und Djent, die Atmosphäre ist ominös, die Kollision von Hackbrett-Groove-Parts und wütenden Growls verwirrt und verstört komplett. Klarer Gesang bahnt sich immer wieder den Weg durch das Dickicht, zerlegt die Erwartungen und bereitet wohliges Kopfzerbrechen. „God Is In The Slumber“, der andere Song unter fünf Minuten, gibt sich ähnlich komplex und verstörend, aber eben auch richtig schön schroff. Abermals ist der Klargesang Garant für wunderbar lichte Momente, könnte so auch prima in Neo-Prog-Gefilden funktionieren und dient letztlich doch als perfekter Wegbereiter für den nächsten Ritt auf der Klinge.
Je länger die Tracks dauern, desto komplexer und verstörender, aber auch verhalten hymnischer werden sie. Das gipfelt schließlich in „A Final Animation“, das sich von Höhepunkt zu Höhepunkt angelt, meditative instrumentale Einschübe in leicht jazzige Richtungen schickt und sogar um hymnische Modern-Prog-Momente bemüht ist, die beispielsweise mit Leprous oder Devin Townsend mithalten können. Und dann folgt der nächste Absturz, nach dem man so etwas wie eine imaginäre Uhr stellen kann. Dieser Hauch von Vorhersehbarkeit stört keineswegs, er lockert das Geschehen auf.
Auflockerung durch wütende Intensität, das klingt selbstverständlich bizarr, doch macht genau das den Charme von „Meridian“ aus. Zwischen der technisch verwegenen Düsternis von Vildhjarta und den ätherischen Momenten jüngerer Mastodon-Werke baut sich kurzweilige Eigenwilligkeit auf, die mit brachialem Groove und einem Ohr für packende Prog-Brücken einen Volltreffer landet. Hippotraktor erfinden vielleicht das Rad nicht neu, setzen die einzelnen Bestandteile aber erfolgreich auf erfrischende Weise zusammen, die zugleich bekömmlich und überfordernd wirkt, ohne jemals komplett über die Stränge zu schlagen. Zwei bärenstarke Vokalisten und echte Meister an den Instrumenten, dazu unaufregtes und doch wunderbar wirres Songwriting – es kann manchmal so einfach sein.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 15.10.2021
Erhältlich über: Pelagic Records (Cargo Records)
Facebook: www.facebook.com/hippotraktorband
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