Wilderun – Epigone
Jahrelang ackerten sich Wilderun weitestgehend in Eigenregie durch die Metal-Landschaft. Als ihre Arbeit endlich Früchte trug – Deal mit Century Media und Auftritte bei großen Festivals – legte die Welt eine Pause ein. Während „Veil Of Imagination“ einen großen Re-Release erfuhr, musste Gitarrist und Sänger Evan Berry weitestgehend im Soloflug an neuem Material arbeiten, trug der räumlichen Trennung Rechnung. Seine einzige Mission: Bloß kein zweites „Veil“ schreiben. So wurden ähnlich angelegte Tracks aussortiert, bis der proggige Metal-Soundtrack Ansatz frischen Wind erhielt. „Epigone“ bemüht sich nun um ein neues Kapitel.
Und dieses fällt epischer denn je aus, allen voran „Woolgatherer“. In gut 14 (!) Minuten bohrt sich der Track tiefer und tiefer in endlose Schleifen des Wahnsinns vor, flankiert von zwei krachenden Explosionen, die man mit derlei Intensität eher Borknagar zuordnen würde. Solche Extreme-Prog-Ausflüge finden sich auf diesem Album immer wieder, doch fristen sie insgesamt ein relativ überschaubares Dasein. Der ausladende Mittelteil mit fragiler Leisetreterei, die schließlich in kolossale Fanfaren umschlägt, ist gewiss typischer. Progressive Metal trifft auf Soundtrack-Arbeit, die Kompositionen glänzen durch feine Details.
Stark ist auch das vierteilige „Distraction“, das kolossale Finale, das sich über knapp 20 Minuten erstreckt. Was im ersten Teil ein wenig Dream Theater und Rush mitbringt, schlägt schließlich in gewaltige Choräle mit symphonischer Note um. Beißende Härte und brachiale Sprints steigen langsam in eine imaginäre Hölle hinab, nur um hymnische Versöhnung heraufzubeschwören. Der Abschluss führt hingegen in die Rumpelkammer mit Blackened-Death-Chaos. Das fällt aus dem Rahmen, unterhält aber. Im Vergleich dazu wirkt „Identifier“ fast schon konventionell und fasst die gesammte Platte prima zusammen. Auch hier lösen sich wieder epische Fanfaren mit verspielter Soundtrack-Qualität aus dem Geschehen, auch hier wird es für kurze Zeit knüppelhart und doch so mitreißend.
Der konstante Fluss der wohligen Unberechenbarkeit bekommt „Epigone“ sehr gut. Wilderun denken „Veil Of Imagination“ weiter und finden einen angenehm anderen Ansatz, der wie ein Streifzug durch die Karriere von Opeth wirkt – mal brachial, dann verspielt, später wieder klassisch. Das stete Wechselbad der Gefühle, garniert mit faszinierenden Soundtrack-Aspekten, bekommt der Platte gut. Letztlich profitieren Wilderun davon, deutlich mehr Songwriting-Zeit gehabt zu haben. Ein magisches Opus mit Grower-Faktor ist das höchst willkommene Ergebnis.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 07.01.2022
Erhältlich über: Century Media (Sony Music)
Website: www.wilderun.com
Facebook: www.facebook.com/OfficialWilderun
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