Gavran – Indistinct Beacon
Gavran veröffentlichten ihr erstes Album Mitte März 2020 mit dem düsteren Soundtrack für düstere Zeiten, so ungewollt wie erschütternd. Die Doom-Sludge-Wucht des niederländischen Trios musste somit hinter verschlossenen Türen stattfinden, die Explosivität konnte sich nicht auf den Bühnen manifestieren. Und doch passten die Themen, wie Zweifel und Verlust, perfekt zum Zeitgeist. Der Nachfolger „Indistinct Beacon“ entstand ebenfalls aus dem Zweifel, aus Angst und Depression, lebt nun jedoch in einer Welt, wo solche Gefühle zum Alltag, zur Normalität gehören.
Fünf Songs, jeweils neun bis elf Minuten lang, nehmen sich alle Zeit der Welt, um beklemmende Gefühlswelten und (selbst-)zerstörerische Atmosphäre auszubreiten. Das gelingt in „Talas“ besonders gut. Was hieran besonders aufwühlt, ist der ausgedehnte Mittelteil, eine mächtige Zäsur inmitten emotionaler Untiefen. Gavran schrauben die Instrumentierung auf ein fragiles Minimum zurück, selbst den Vocals haftet etwas Schüchternes an. Zwei monumentale Wutausbrüche in bester Amenra-Manier rahmen diese Wahnsinnstrack ein. Gift und Geifer entladen sich durch zentnerdicke Wände und suchen nach einem besseren Morgen.
Hingegen wählt „Duhovi“ einen anderen Ansatz, vermengt spirtuelle Choral-Andeutungen mit post-metallischer Strukturierung. Der ellenlange, epische Aufbau bereitet etatmäßige Eruptionen vor, die sich letztlich ebenfalls als wuchtige Husarenritte, als schier undurchdringliches Dickicht erweisen. Noisiges Stampfen bietet eine unbequeme Verschnaufpause, der schabende Bass und das drückende Schlagzeug stürzen sich die doomige Treppe hinab. Und dann geht es wieder von vorne los, so stoisch wie beklemmend. Vergleiche mit dem Frühwerk von 40 Watt Sun kommen gewiss nicht von ungefähr.
Schwierig, gefühlt undurchdringlich und doch so lohnenswert: Der komplexe Wahnsinn wird bei Gavran geschickt impliziert und legt sich wie eine zentnerschwere Last über das innere, längst nicht mehr existierende Gleichgewicht. Doom und Sludge dienen als extreme Pole für „Indistinct Beacon“, so brachial wie gefühlvoll, düster wie zerstörerisch zu gleichen Teilen. Außerdem schätzen die Niederländer das Post-Präfix in der dramaturgischen Zusammenstellung ihrer Arrangements – ungreifbar, gefährlich und doch so nah am vergifteten Wasser gebaut. Auf dass ihnen mit diesem kleinen Wunderwerk nun endlich die bereits vor fast drei Jahren verdiente Aufmerksamkeit widerfahren möge.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 02.12.2022
Erhältlich über: dunk!records (Broken Silence)
Facebook: www.facebook.com/gavranband
Letzte Kommentare