Herod – The Iconoclast
Eigenständig waren Herod schon immer, hielten und halten herzlich wenig von 08/15. Die ursprünglich in atmosphärischen Groove-Metal-Gefilden beheimateten Schweizer entwickeln ihren Sound behutsam weiter ohne Rücksicht auf Verluste. Das funktionierte vor gut drei Jahren auf „Sombre Dessin“ hervorragend und hievte das Quintett aus dem Stand in die internationale Spitzenklasse. Selbstverständlich verzichtet der Nachfolger darauf, einer etwaigen Formel zu folgen, und bemüht sich stattdessen um neue Ufer. „The Iconoclast“ stellt sich erfolgreich einer überdimensionalen Herausforderung.
Wie weit man sich hinauswagt, zeigt das ellenlange. „The Ode To…“ mit dem Chor Les Mysterès des Voix Bulgares. Der mystische, mehrstimmige Frauengesang diktiert das Geschehen dieses unruhigen, brodelnden Monstrums, das sich gefühlt ununterbrochen windet und dabei nach einer nicht näher genannten Erkenntnis sucht, ohne fündig zu werden – sehr spannend, zugleich aber eine Spur zu ausufernd für diese Idee. Auch „The Girl With A Balloon“ verlässt sich auf Atmosphäre, auf mäandernde Spannungsbögen, auf die Suche nach Erkenntnis. Zwischen brutaler, brachialer Wucht mit infernalen Vocals und überraschendem Klargesang tasten sich Herod durch spektakuläre, einnehmende Untiefen.
Spannend ist auch das abschließende „The Prophecy“ mit einer prominenten Zweitstimme. Loïc Rosetti von The Ocean mischt mit und harmoniert prima mit Mike Pilat, der selbst einst für das Kollektiv sang. Hier laufen Herod zur Höchstform auf mit komplexen, erdrückenden Klangwänden, mit massivster Wucht, aber auch mit kleinen Feinheiten, die unheimlich präzise unter die Haut gehen und dort brutale Triebe entfalten. „The Edifice“ kommt ebenfalls mit einem Gast um die Ecke. Matt McGachy von Cryptopsy verpasst dem ohnehin technisch anspruchsvollen Track das gewisse Etwas, intensiviert die frontale Energie gekonnt.
So ganz erreichen Herod das Niveau des Vorgängers nicht, aber das ist mit Sicherheit Meckern auf sehr hohem Niveau. „The Iconoclast“ wagt mehr Experimente, die nicht immer 100%ig aufgehen, aber stets für Spannung und Interesse sorgen. Düstere, brachiale Nackenschläge zwischendurch sowie die komplette Ausreizung von Post-, Groove- und sogar dezenten Math-Mustern wissen allerdings in gewohnter Manier zu unterhalten. Die Schweizer konsolidieren sich auf einem hohen Level und bleiben weiterhin eine Top-Adresse für anspruchsvolle metallische Grenzerfahrungen.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 05.05.2023
Erhältlich über: Pelagic Records (Cargo Records)
Website: herodnoise.com
Facebook: www.facebook.com/HerodNoise
Letzte Kommentare