The Ocean – Holocene

| 19. Mai 2023 | 0 Comments
The Ocean

(c) Geoffrey Wallang

Auserzählt? Gibt es das im Hause The Ocean? Das Finale des im Herbst 2020 erschienenen, bis jetzt jüngsten Studioalbums widmete sich dem aktuellen Zeitalter, jenem der Menschheit, und überraschte mit düsterer, synthetischer Ausprägung. Tatsächlich sollte daraus das Sprungbrett für neues Material werden, das ausnahmsweise auf Synth-Ideen von Peter Voigtmann beruht. Anders und doch typisch The Ocean, so nannte Mastermind Robin Staps diese Entwürfe, die das Fundament zum Appendix des letzten Doppelalbums bilden sollten. „Holocene“ wagt und versucht musikalisch mehr denn je, ohne sich der kompletten Entfremdung hinzugeben. Und doch streift das Kollektiv sein ohnehin locker gehaltenes Post-Korsett mehr und mehr ab.

Bereits das eröffnende „Preboreal“ deutet Veränderungen an, von feinsinniger Synthetik begleitet. Loïc Rossetti kann sich stimmlich austoben, singt klar und einnehmend, während die übrige Instrumentierung auf Raten hinzukommt. Die komplexe Heavyness der zweiten Hälfte erinnert schon eher an Typisches von The Ocean, ohne sich komplett dem wütenden Chaos hinzugeben. In „Sea Of Reeds“ fehlt diese Energieleistung beispielsweise, stattdessen bleibt es bei schemenhaften Alternative-Weisheiten, die bereits im Vorfeld durchaus passende Radiohead-Vergleiche einbrachten. „Subboreal“ wechselt zwischen derben Post-Wutausbrüchen und lupenreinem TripHop. Das dürfte, rein logisch betrachtet, eigentlich nicht so gut funktioniert, geht dennoch nicht aus dem Kopf.

Die klassischen The Ocean tauchen dennoch immer wieder auf, beispielsweise im abschließenden „Subatlantic“. Auch hier geht es nicht ohne ominöse Elektronik, welche die ruhigen Passagen stets spannungsgeladen hält. Kathartische Explosionen erinnern an Heavy-Großleistungen, gerade die zweite Hälfte ist ein beißendes Wunderwerk. Wenn schließlich eine verspielte Gitarre auftaucht und weitere Unruhe einbringt, ist alles eitel. In „Unconformities“ schaut Karin Park (u. a. Årabrot) vorbei und sorgt mit ihrem zugleich gespenstischem und eingängigem Gesang für den wohl zugänglichsten Track der Platte. Nach ca. vier Minuten verfinstert sich der Himmel zusehend und macht die Bühne für frontale Brutalität mit Crust-Untertönen frei. Diese Drastik gelingt tatsächlich prima.

Selbst nach über zwei Jahrzehnten können The Ocean noch überraschen und neue Maßstäbe setzen. „Holocene“ hält das Level der unfassbar starken letzten Releases und fällt doch komplett anders aus. Natürlich, möchte man beinahe sagen, bleibt die vertraute Heavyness erhalten, doch wird diese nun ganz anders interpretiert. Die synthetischen Einflüsse, die vor allem zur Album-Mitte prominent vertretenen TripHop-Vibes, die ominöse Elektronik – all das passt erstaunlich gut zum Sound des Kollektivs. Harmonisch und schroff werden entsprechende Ideen in das bestens vertraute Soundgewand eingeflochten und ergeben ein monumentales Ganzes, das letztlich für das bisherige Schaffen durch wunderbar logisch erscheint. Neu erfunden und zugleich in vertrauter Spitzenform – an The Ocean kommt weiterhin niemand heran.

Wertung: 9/10

Erhältlich ab: 19.05.2023
Erhältlich über: Pelagic Records (Cargo Records)

Website: www.theoceancollective.com
Facebook: www.facebook.com/theoceancollective

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Category: Magazin, Reviews

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