Orbit Culture – The Forgotten
Was tut man, wenn man eines der besten Metal-Alben des Jahres veröffentlicht hat? Richtig, man legt noch etwas neues Material obendrauf. Mit „Descent“ war Orbit Culture im Spätsommer endlich der Durchbruch auf Platte gelungen. Zwei Tracks bleiben liegen – von einer ähnlichen Stimmung geprägt, während den Aufnahmen jedoch in eine experimentellere Richtung abgedriftet. Nach der gemeinsamen Tour mit Avatar schrieb man einen weiteren Song, um das Material quasi zusammenhalten, und veröffentlicht das Ergebnis nun unter dem Namen „The Forgotten“, eine rein digitale 3-Track-EP, die vor allem als Dank an die Fans gedacht ist.
Besagter ‚weiterer Song‘ eröffnet den Reigen: „While We Serve“ tastet sich vorsichtig voran, bevor sich die Schleusen öffnen und ein finsterer wie brutaler Bastard aus den Boxen schnellt. Orbit Culture unterstreichen ihr Verständnis von modernen Metalklängen, melodisch bis tödlich. Der Track lebt vor allem von seiner ominösen Stimmung. Man spürt, dass das Geschehen zu jeder Zeit kippen könnte, kriegt stattdessen aber eine düstere instrumentale Zäsur, die man so eher im Post-Metal-Umfeld erwarten würde. Anstatt im Anschluss komplett auszurasten, bleibt das Quartett dem leicht vertrackten Midtempo-Sektor treu und bemüht stattdessen technischen Anspruch. Das fällt gewöhnungsbedürftig aus, lässt nach ein paar Durchläufen aber nicht mehr los.
Im Vergleich dazu wirkt „The Upheaval“ hymnisch und radiofreundlich, packt immer wieder diabolischen Klargesang aus, schält den Dreck von den Stimmbändern und wickelt all das in einen Death-Thrash-Bastard der melodisch-explosiven Sorte ein. Hier wird das Naheverhältnis zum aktuellen Album besonders deutlich, wenngleich die kleinen Zäsuren immer wieder den Ausbruch wagen. Exakt diesen formvollendet schließlich „Sound Of The Bell“, ein achtminütiges Mammut, für das sich Sänger und Gitarrist Niklas Karlsson mit Amokläufen und anderen Horrorstorys aus den Nachrichten auseinandersetzte. Immer wieder aufbrandende melodische Momente, proggige Untertöne und eine kaputte, komplett zerlegte zweite Hälfte unterstreichen den Wahnsinn.
Tatsächlich versuchen Orbit Culture in diesen knapp 19 Minuten deutlich mehr, was ihnen gut bekommt. Die direkte Verbindung zu „Descent“ bleibt zu jeder Zeit greifbar, ohne sich jedoch komplett in diesem Klanguniversum zu verbeißen. Immer wieder entgleitet „The Forgotten“ dessen Verwandtschaft und schafft komplexe, hymnische, dennoch zerstörerische Tracks. Deutlich mehr technische Versiertheit im Riffing, komplexe Drum-Patterns und wohldosierte düstere Atmosphäre treffen auf muskelbepackte Hymnen und ein Herz für ominöse instrumentale Einschübe. Orbit Culture trauen sich etwas und landen damit einen Volltreffer – der perfekte Abschluss für ihr musikalisch bislang wohl bestes Jahr.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 01.12.2023
Erhältlich über: Seek & Strike
Website: www.orbitculture.com
Facebook: www.facebook.com/OrbitCulture
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