Turin – The Unforgiving Reality In Nothing
(c) JWA Creations
Apokalyptischer Anspruch und infernale Brachialgewalt gehen bei Turin (ehem. This Is Turin) Hand in Hand. Das britische Quintett hat ein Herz für extreme Klänge, rund um Tech Death und Deathcore angesiedelt, proggig und zugleich von einer Abrissbirne zur nächsten jagend. Ihr neues Album, dessen Sound sich während den Lockdowns entwickelte und für große Veränderung steht, entstand unter dem Eindruck, alles sei in Ordnung, wenn genau das eigentlich doch nicht der Fall ist. „The Unforgiving Reality In Nothing“ symbolisiert Aufbruch und Dunkelheit in einem.
Ein doppelter Dampfhammer zu Beginn schindet ordentlich Eindruck. Zunächst hantiert „Envy“ recht schwungvoll mit der Brechstange, während heiseres bis geiferndes Keifen und ein Hauch von Apokalypse im Fundament abgefuckten Unterhaltungswert bieten. Und doch schwimmen im richtigen Moment melodische Ansätze an die Oberfläche. Danach gibt sich „Abyssal“ von der ersten Sekunde an hymnisch und zugleich unwirklich. Wiederholte Druckwellen bellender Extreme treffen auf diesen Hauch von Melodie und Progressivität, der die Arme gen Himmel ausbreitet, um letztlich doch die Hölle mit allen Sinnen zu erfassen.
In dieser Gangart geht es weiter. „Loss“ mit Travis Worland von Enterprise Earth beginnt zäh, explodiert plötzlich und lässt dann wieder jenseitige Melodien Einzug halten, die Grandezza andeuten, jedoch vom semi-orchestralen Käse Marke Fleshgod Apocalypse Abstand nehmen. „I Am The Truth“ führt mit seinem ruhigen Intro auf die falsche Fährte und explodiert schließlich komplett. Ein stetes Wechselbad der Gefühle setzt Melodie als Wellenbrecher ein, nimmt immer wieder Anlauf und bemüht das Breakdown. Schließlich variiert „Our Reality In Nothing“ zum Abschluss das Tempo, dockt in Blackened-Gefilden an und rennt wiederholt gegen eine Wand.
Etwas Unnahbares haftet dieser Platte an, bizarr und zugleich hochgradig faszinierend. Im konstanten Widerspruch lebt es sich offensichtlich wunderbar, denn Turin reißen mehrere Genres an, versperren sich deren Konventionen, brechen sogar damit und sammeln auf seltsame Weise damit vollste Zustimmung. Deathcore, Prog, Tech, sogar etwas Blackened – diese extremen und doch spannenden Zutaten begleiten „The Unforgiving Reality In Nothing“, das sich wiederholt häutet und zugleich einbrennt. Die Briten rühren einen vogelwilden Cocktail des Wahnsinns an, drehen am Rad und zeigen sich doch hymnisch. Was nicht funktionieren sollte, macht unheimlich viel Spaß – ein weiterer kleiner Husarenritt von der Insel.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 12.07.2024
Erhältlich über: MNRK Records (SPV)
Facebook: www.facebook.com/thisisturin
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