Coilguns – Odd Love
Fünf Jahre zwischen zwei Alben, das ist erst einmal eine ganze Menge Holz. Die sympathisch-mathematischen Chaoten von Coilguns waren aber keinesfalls untätig. Kleinformate, eine Live-Platte sowie mehrere Kollaborationen sorgten in der Zwischenzeit für Unterhaltung, zudem dauerte es aufgrund äußerer Umstände etwas länger. So war der Großteil der neuen Platte „Odd Love“ – ein Oberbegriff für die persönliche, gerne mal etwas schräge und doch immer intensive Beziehung zur Musik – bereits während des ersten Lockdowns geschrieben gewesen, bevor man die Demos nach und nach zerlegte, überarbeitete und erneut zusammensetzte.
Dass Tracks wie „Bandwagoning“ mit einem leichten Augenzwinkern zu verstehen sind, ergibt sich von selbst. Musikalisch nimmt man hingegen nichts auf die leichte Schulter und langt beherzt zu. Wilde Schreie, komplexe Rhythmik und atemloser Sprechgesang in den Strophen langen derb und beherzt zu, bevor zig Wendungen zu herrlichen Anti-Melodien führen – roh, unorthodox und verdammt sympathisch. Im Vergleich dazu kommt „Venetian Blinds“ trotz obligatorischer Düsternis nahezu linear rüber, radiert mit Wonne über Befindlichkeiten und vermittelt als nahezu konstanter Unruheherd so etwas wie Aufbruchstimmung, die mit ausgeprägter Melancholie kollidiert.
Diese Klasse setzt sich in Tracks wie „Featherweight“, eine der längsten, lautesten und kaputtesten Nummern der neuen Platte, nahtlos fort. Gefühlt ackern sich Coilguns gleichzeitig durch vier Songs, ringen mit Beklemmung, mit purer Explosivität, mit dem Warten auf den Untergang. „We Missed The Parade“ spielt hingegen mit Math-artigem Chaos, mit wüstem Hardcore, mit dezent punkigen Untertönen – eine atemlose Tour de Force. Davon bietet „Generic Skincare“ noch mehr, stolpert wiederholt, fängt sich immer wieder, nur um urplötzlich ins Bodenlose zu springen und grinsend zu fallen.
Logische Weiterentwicklung ebnet den Weg für frische Wahnsinnstaten. Bei Coilguns weiß man mittlerweile, was man bekommt, und das ist immer richtig gut. Diese erste ‚reguläre‘ Platte nach längerer Zeit knüpft nahtlos an ihre Vorgänger an und bemüht trotzdem neue Ansätze. „Odd Love“ lebt vor allem von seinem starken Songwriting, das mehr denn je sämtliche Extreme bemüht und doch kompakter, klarer definiert wirkt. Jeder Kniff, jede Wendung hat Sinn und trifft mitten ins Herz, die nahezu omnipräsente Düsternis unterstreicht den unruhigen Charme des Longplayers. Einmal mehr behaupten sich die Schweizer als abgedrehtes Powerhouse und sorgen für wahnwitzige Unterhaltung.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 22.11.2024
Erhältlich über: Hummus Records (Bertus)
Website: coilguns.ch
Facebook: www.facebook.com/coilguns
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