Yenisei – Home
Einer polnischen Band ging vor etlichen Jahren der Sänger von Bord. Bei der Suche nach einem Nachfolger stieß man hingegen auf einen Keyboarder und Synthesizer-Spieler, die Idee für eine rein instrumentale Formation war geboren. Seither veröffentlichten Yenisei zwei sympathische Post-Rock-Alben, die mit etwas Elektronik und Ambient experimentierten und auf federndes, cleveres Storytelling setzten. „Home“, der neueste Streich, sucht nach einem Rückzugsort (und Zustand), an dem man sich von den Sorgen und Belastungen des Alltags und der Außenwelt abschotten kann.
„A Walk In The Sky“ klingt exakt so, wie es der Titel vermuten lässt, und betritt ein himmlisches Refugium mit ernsten, dennoch losgelösten Tönen. Die Art und Weise, wie das Arrangement über den Dingen steht und schwebt, weiß zu bewegen. Dass dieses Zurückziehen jedoch nicht immer so recht gelingen mag, illustriert „This Place Was A Shelter“. Düstere, drückende Töne kollidieren mit leichtfüßiger Synthetik und fechten einen imaginären Grabenkampf aus, zwischen erhofftem Idyll und unvermeidbarem Konflikt. Das echte Leben kollidiert mit dem Versuch, abgeschottet zu bleiben, und der Ausgang bleibt letztlich offen.
Eine kleine, willkommene Überraschung stellt „Insecure“ dar, für das sich Yenisei mit Maciej Kowalski von .Wavs einen Sänger einluden. Seine gerne mal klagende, hochgradig emotionale Stimme passt prima zum bestimmten und doch nie überzogenen Spannungsaufbau. Durch diese Extradosis Drama und Melodrama ringen die Polen ihrem Sound eine frische Facette ab, streuen sogar ein Beinahe-Gitarrensolo ein. Deutlich klassischer und reduzierter geht es hingegen in „Crickets“ vor sich, ein willkommenes Besinnen auf das Wesentliche, konzentriert und bis obenhin voll mit melodischer Epik. Sogar das klassische Post-Rock-Crescendo darf hier nicht fehlen.
Yenisei bedienen eine vergleichsweise ruhige, idyllische Seite des Genres, die ihnen wunderbar zu Gesicht steht. Die nahezu Biedermeier’sche Suche nach dem inneren Rückzug verinnerlicht „Home“ gar beeindruckend, reduziert weiter und weiter, konzentriert sich erfolgreich auf das Wesentliche und trägt das in nachdenklichen, dennoch hoffnungsvollen Tönen nach außen. Und doch dürfen immer wieder dunkle Wolken aufziehen, die recht deutlich auf äußere Unruhe verweisen und den Finger präzise in die Wunde legen, von einem starken Gesangsbeitrag abgerundet. Mit ihrem dritten Album setzen die Polen ihren Aufstieg locker fort – eine weitere kleine Schönheit mit bezaubernden Widerhäkchen.
Wertung: 8/10
Erhältlich ab: 25.10.2024
Erhältlich über: Eigenvertrieb
Facebook: www.facebook.com/yeniseipostrock
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