Russian Circles – Empros
Binnen kürzester Zeit haben sich Russian Circles an die Post Rock-Speerspitze vorgearbeitet. Über drei Alben hat das Trio aus Chicago, Illinois instrumentale Klanglandschaften mit metallischem Unterton gebastelt, dabei Gebäudekomplexe wackeln lassen und das karge „Geneva“ zur neuen Heimat auserkoren, aufpoliert von Steve Albini. „Empros“ gibt sich nun wieder deutlich spartanischer, was die Produktion betrifft, und setzt vermehrt auf Live-Atmosphäre. Gegen Ende wagen sich die US-Amerikaner außerdem in bislang unerforschte Gewässer vor.
Mit „309“ beginnen Russian Circles mit dem wohl härtesten, sperrigsten Track ihres vierten Albums. Mehr Distortion geht kaum, viel brutaler und verstörender können die Drums kaum ausfallen. Es ist ein beklemmendes Bild, das das Trio aus Chicago hier zeichnet, von einstürzenden Neubauten gesäumt. „Mládek“ mit seinen Clicks zeigt in etwa, wie härtere Collapse Under The Empire klingen könnten, wobei der wahre Reiz von jener psychotischen Melodie ausgeht, die mit gerade einmal drei Tönen im Hintergrund zu brodeln scheint. „Schiphol“ hingegen bewegt sich in versöhnlichen, beinahe erhabenen Bahnen, wobei der Abgang für verschlagene Ohren sorgen könnte, bedingt durch die mächtigen Gitarrenwände.
„Atackla“ erweist sich als vorläufiger Höhepunkt, eröffnet beinahe klassisch, nur um sich über vertrackte Drums und schrubbende Bassläufe gen jene kargen Klanglandschaften zu bewegen, die entfernt an Drone und Industrial erinnern – finstere urbane Welten, in denen sich die US-Amerikaner immer wieder gerne verlaufen. Mit mächtigen zehn Minuten Spielzeit setzt „Batu“ allem die Krone auf, will aber von Zerstörung nichts wissen. Im Gegenteil: Obwohl erneut die virtuosen Drums sehr eindringlich und aggressiv wirken, ist die Grundidee von Finalität geprägt, von einem Streben nach einem Ende mit Konsens. Dieses hört auf den Namen „Praise Be Man“ und überrascht. Aus folkigen, psychedelischen Klanglandschaften dringt der Gesang von Bassist Brian Cook, der diesen reduzierten Track im eigenen Schlafzimmer für das Kassettenlabel eines Freundes aufgenommen hat. Ganz Chicago setzt mit einem Mal ein seliges Lächeln auf.
Natürlich bleibt gerade das Finale in Erinnerung, denn Russian Circles mit Vocals gab es noch nie, gerade in einem musikalisch ganz und gar untypischen Umfeld. Es soll wohl nicht die Zukunft für das US-Trio sein und könnte sich durch als wertvoller Farbtupfer für die Zukunft erweisen. Und doch darf man die vorangegangenen 40 Minuten auf keinen Fall ausblenden. „Empros“ beginnt wütend und zerstörerisch, beruhigt sich nach und nach, und versetzt die kargen Klanglandschaften mit einem blassen Hoffnungsschimmer. So eindrucksvoll das Finale auch ist, so beeindruckend Mike Sullivans Gitarrenwände sein mögen – MVP des vierten Russian Circles-Albums ist Drummer Dave Turncrantz, dessen Fills und Doublebass-Rochaden geradezu außerirdisch wirken und der Platte jene Dynamik verleiht, mit der man sich ganz locker von sämtlichen Genrekollegen absetzt.
Wertung: 9/10
Erhältlich ab: 28.10.2011
Erhätlich über: Sargent House (Cargo Records)
Website: russiancirclesband.com
Facebook: www.facebook.com/russiancirclesmusic
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